- Lea Sandoz-Mey
Eine vergessene Gruppe während der Pandemie
Aktualisiert: 2. März 2021

Wie erklärt man jemandem, der nicht hören, sprechen, schreiben oder lesen kann, das Coronavirus?
Wie erklärt man jemandem, dass ihn niemand besuchen wird, dass er seine Eltern, Geschwister, Freunde und Großeltern nicht mehr sehen kann?
Wie erklärt man, dass sie am Wochenende nicht nach Hause fahren können?
Wie erklärt man, dass sie sich körperlich distanzieren müssen, dass sie niemanden anfassen dürfen?
Das Coronavirus hat unser aller Leben beeinflusst und große Unsicherheiten verbreitet. Stellen Sie sich vor, all diese Veränderungen in unserem Leben zu sehen, aber nicht zu verstehen, warum sich plötzlich alles verändert hat. Das war die Realität vieler Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen in den letzten drei Monaten.
Sie mussten das nicht nur durchmachen, sondern wurden auch allein gelassen – von der Gesellschaft vergessen. Es gibt so viel Elend in geschützten Heimen und in Familien mit kognitiv beeinträchtigten Menschen, aber wir hören niemanden darüber reden.
Niemand spricht über die Menschen, die in ihrem geschützten Heim isoliert sind, wo sie nicht einmal spazieren gehen dürfen.
Niemand spricht über die alleinerziehende Mutter, die ein Kind mit einer kognitiven Beeinträchtigung hat: Sie muss sich rund um die Uhr ohne jede Hilfe um es kümmern und gleichzeitig arbeiten.
Niemand spricht über die Menschen, die von den Lippen lesen oder Emotionen im Gesicht der sprechenden Person sehen müssen: Wir alle tragen Masken.
Die traurige Realität ist, dass Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen wieder einmal eine vergessene Minderheit sind. Dabei liegt der Gradmesser für eine funktionierende demokratische Gesellschaft gerade darin, wie sie mit ihren verletzlichen Menschen umgeht. Gerade in Krisenzeiten ist uneingeschränkte Sensibilität gefragt, um für die Bedürfnisse von Menschen einzutreten, deren Stimmen nicht gehört werden. Auch wenn die Schutzmaßnahmen der Behörden zweifelsohne dem gesundheitlichen Wohl dienen, müssen Verhältnismäßigkeit und Rechtmäßigkeit immer wieder neu überprüft und bewertet werden. Was es jetzt braucht, ist Augenmaß und die Bereitschaft zu humanen, auch unkonventionellen individuellen Lösungen. Auch wir als Einzelne sind in der Verantwortung. Die Gesellschaft hat die Macht, unsichtbare Menschen sichtbar und zu einem Teil der Gesellschaft zu machen. Deshalb müssen wir Diskussionen anstoßen, in denen Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen einbezogen werden.
Das ist es, was inclusion360 in den letzten zwei Jahren versucht hat zu tun.
Wir wollen den Austausch zwischen Menschen mit und ohne kognitive Beeinträchtigung auf Augenhöhe fördern und so das Zusammenleben aller in einer inklusiven Gesellschaft unterstützen. Dies versuchen wir in Zürich zu erreichen, indem wir Veranstaltungen organisieren, die den Dialog und Aktivitäten für Menschen mit und ohne kognitive Beeinträchtigungen fördern. Wir wollen eine vielfältige und inklusive Gesellschaft, die Unterschiede annimmt und ihnen erlaubt, sich gleichberechtigt zu entwickeln.
Denn wir glauben, dass niemand inkludiert ist, bis wir alle inkludiert sind.
How do you explain the coronavirus to someone who cannot hear, talk, write or read?
How do you explain that no one will be visiting them, that they won’t be able to see their parents, siblings, friends and grandparents?
How do you explain that they won’t be able to go home for the weekend?
How do you explain that physical distancing is required, that they are not allowed to touch anyone?
The Coronavirus has affected all our lives and has circulated great uncertainties. Imagine having to see all those changes in our lives but not understanding why everything has suddenly changed. This has been the reality of many people with cognitive impairments for the last three months.
Not only have they had to go through this but they have also been left alone, forgotten by society. There is so much misery in protected homes and in families with cognitive impaired people but we don’t hear anyone talking about it.
No one talks about the people who are isolated in their protected home, where they are not even allowed to go out for a walk.
No one talks about the single mother who has a child with a cognitive impairment: she has to take care of him 24/7 without any help and at the same time has to work.
No one talks about the people who lip read or need to see emotions on the face of the person speaking: we are all wearing masks.
The sad reality is that people with cognitive impairments have been once more a forgotten minority. The indicator for a functioning democratic society lies precisely in the way it deals with its vulnerable people. Particularly in times of crisis, unrestricted sensitivity is needed to stand up for the needs of people whose voices are not heard. Even if the protective measures taken by the authorities undoubtedly serve the welfare of health, proportionality and legality must also be constantly reviewed and reassessed. What is needed right now is a sense of proportion and the willingness for humane, even unconventional individual solutions. We as individuals are also responsible. Society has the power to make invisible people visible and a part of society. Therefore, we have to start discussions in which people with cognitive impairments are included.
That’s what inclusion360 has been trying to do for the last two years.
We want to foster exchanges between people with and without cognitive impairments on an equal footing, encouraging everyone to live together in one inclusive society. We are trying to achieve this in Zurich by organizing events to encourage dialogue and activities for individuals with and without cognitive challenges. We want a diverse and inclusive society which embraces differences and allows them to develop equally.
Because we believe that no one is included until we all are included.